Und es geschah: In diesen unsern Tagen
erscholl in Lützerath ein herzbewegtes Klagen.
Der Ort, wo freie Menschen sich verbanden,
geschwisterlich zum neu geteilten Leben fanden,
und dies im Hinblick auf die große Erde,
dass sie doch noch vielleicht gerettet werde, – – –
der Ort, an dem ganz fraglos offenbar ist,
dass Leben nur im Widerstehen wahr ist, – – –
der Ort, wo man ein neues Leben träumt:
er wurde von der Erde weggeräumt.
Doch ist das Ende dieses heil‘gen Landes
noch nicht das Ende jeden Widerstandes.
Das Kreuz, um das wir uns so oft geschart,
es wurde vor dem Untergang bewahrt.
An neuem Ort soll es ein Zeichen geben,
am Ort des Todes weist es auf das neue Leben.
Im Leben gehen manche Träume unter.
Indes: Der Mensch bleibt trotzdem oft noch munter.
Im Rollstuhl sitzt der Manni statt zu laufen.
Drum tat man ihn den Rollingmanni taufen.
In Lützerath war er dabei gewesen.
Nun hat er von der Pilgerfahrt gelesen,
und nicht nur das. Man hat ihn eingeladen,
sich anzuschließen auf den Pilgerpfaden.
Sie wussten wohl nicht, was sie damit taten!
Ich hätte ihnen deutlich abgeraten.
Sei’s drum. Nun wird zum Marsche aufgebrochen.
Man schreitet wacker. Hinterher gekrochen
kommt Manni dann mit seinem Pilgerdreirad,
das er genau zu diesem Zweck dabei hat.
So geht es munter über Stock und Stein.
Da wollen alle gern beisammen sein.
Nur Manni weiß (scheint’s) gar nicht, was er will:
Wenn’s aufwärts geht, rollt er am Ende still,
doch geht es abwärts, ist er nicht zu halten.
Man sieht ihn lustvoll seine Gänge schalten.
Und wieder geht’s bergauf. Er bleibt ein Stück
hinter dem großen Wallfahrtspulk zurück.
Und plötzlich ist er wieder vorn zur Stelle,
denn vor ihm senkt der Weg sich mit Gefälle.
Bisweilen hilft die Christa ihm beim Rollen,
doch ist nicht wirklich klar, ob sie das sollen,
Tannina, Averil und auch Annette:
Es scheint nicht so, dass er das gerne hätte.
Schildkröte fragt dezent, ob sie gefragt ist.
Man weiß bei Manni nie, was bei ihm angesagt ist.
Denn wenn man mit ihm klar von Hilfe spricht,
dann heißt die Antwort: „Hilfe brauch ich nicht!“
So könnte es denn endlos weitergehen.
Doch plötzlich bleibt die Pilgerleitung stehen,
weil sich ihr auf der Pilger-App „Komoot“
ein besserer Geländeeindruck bot,
was die Befahrbarkeit per Rad betrifft.
Der Weg hier ist für Manni einfach Gift.
Rechts geht ne Spur und links geht auch ne Spur,
dazwischen in der Mitte gibt es nur
‘nen Streifen, gras- und krautgestrüpp-bedeckt.
Jetzt zeigt die Gruppe klar, was in ihr steckt:
Zwei Männer packen Manni an den Griffen.
Mit Mut, Verstand und mit Geschick umschiffen
sie ganz leichtfüßig alle Hindernisse.
Sie achten nicht auf Floh- und Zeckenbisse.
Doch plötzlich steht da eine Straßenplanke.
Bei manchen regt sich einfach der Gedanke,
den Manni ungeachtet seiner Rippen
schlicht über dieses Hindernis zu kippen.
Das tun sie doch nicht, denn sie sind ja Christen . . . .
So stemmen sie, mit Blick auf Treffpunkt-Fristen,
den Manni samt dem Rollstuhl steil nach oben.
Dort hat es sich dann endlich ausgeschoben.
Die Sonne knallt auf Thomas und auf Berthold.
Sie wischen ab den Schweiß, der von der Stirn rollt.
Und Manni trottet frisch, als ob nichts wär,
mal wieder vorn – und wieder hinterher.
Nach ein paar Tagen, schon am Rand der Eifel,
gibt es ein Wäldchen, hübsch, ganz ohne Zweifel.
Man geht drauf zu. Doch plötzlich macht man halt:
Am Rand des Wäldchens endet der Asphalt.
Ein Trampelpfad, links Zaun, rechts tiefe Schlucht.
Ob’s für den Rolli passt, wird untersucht.
Ins Dickicht taucht die Conni mit der Negen.
Dann komm die Botschaft:„Es spricht nichts dagegen.
Nur Mut! Packt euch den Manni, seid nicht bange –
der Trampelpfad, er dauert gar nicht lange!“.
Sogar im Rollstuhl schlottern Mannis Knie
in einem Anfall von Akrophobie.
Er wünscht, dass man ihn doch an jener Seite
zum Abgrund hin besonders stark begleite!
Bald ist der schroffe Abhang dann vorbei.
Doch damit ist der Manni noch nicht frei.
weil er im Wald allein nicht rollen kann.
Da rücken sie auch schon zum Schieben an,
ob Gordon, Ute, Tori und Danielle,
Bernhard und Kirsten, alle sind zur Stelle.
Weil sie kein Flickzeug in der Tasche hatten
zum Fall des Falles, wegen eines Platten,
darf Negen es vor allem nicht versäumen,
die Brombeerranken aus dem Weg zu räumen.
Sobald jedoch die Straße ist erreicht,
erwartet Manni, dass man vor ihm weicht,
und fährt mit dreister Leichtigkeit davon.
Ja, Undank ist auch hier der Welten Lohn.
Es ist wohl so: Ich kann nicht alles schildern.
Doch eines von den Rolli-Wallfahrts-Bildern
sei hier zum Abschluss doch noch aufgegriffen:
Wie alle auf dem letzten Loche pfiffen,
wie alle da an ihre Grenze kamen,
weil sie den Rolling-Manni mit sich nahmen:
Bei Hagebau wird bei der Rast bedacht,
was man am besten mit dem Manni macht.
Er selber ist ein Dickkopf, und er spricht:
„Mich schieben lassen, nein, das will ich nicht.
Eh dass der Anstieg wird ganz schlimm und schlimmer,
sag ich euch: Runter kommen alle immer!
Wenn es zu schwer wird, roll ich froh und munter
allein den Berg auch wieder abwärts runter.“
„Nein, nie und nimmer soll das so geschehen!
Niemals sollst du alleine runter gehen!“
Die heil‘ge Wallfahrtsschar tut diesen Schwur:
„Er rollt den Weg mit uns zusammen nur,
und gingen alle wir das Stück zurück – – –
allein geht keiner! Darin liegt das Glück“
Der erste steile Eifelberg steigt an.
Zunächst geht Manni da noch locker ran
doch bald schon fängt er leise an zu keuchen.
Von alten Männern, gar mit dicken Bäuchen,
wird das nicht so im Handumdrehn erledigt,
und auch die Helfenden sind davon schnell beschädigt.
Bevor man dabei kommt reell zu Tode,
entwickelt man die Intervallmethode:
Da wird geschoben und von vorn gezogen,
wird stracks gegangen und nicht abgebogen,
das ruckelt, schwankt – und bremst – und bleibt dann stehen.
Dann wird entspannt, vom Kopf bis zu den Zehen.
Dann greifen wieder alle in die Seile,
der nächste Abschnitt steht bevor, der steile,
dann hilft der Tori an den Seitenlehnen,
und Berthold spannt die Muskeln und die Sehnen,
und Gordon stemmt sich kräftig in die Erde,
auf dass der Berg mit Kraft bezwungen werde.
Auch Heike lässt die Fotos für den Twitter,
stattdessen schiebt sie. Auch der Rollstuhl-Ritter,
der greift, so gut er kann, in seine Speichen,
so lang, bis alle schlapp und schlaff erbleichen.
Dann kommt die Pause, so wie grad beschrieben,
der Augenblick, den sie am meisten lieben,
denn dieser Aufstieg, der ist nicht von Pappe.
Danach beginnt die nächste Schub-Etappe.
Und alle halten durch – sind endlich oben!
Ich rufe: Solche Arbeit ist zu loben,
ist hoch zu preisen wegen der Gemeinschaft,
weil man das Gute schließlich nicht allein schafft.
Denn schwerer noch als diese Eifelhänge
bewältigt man gesellschaftliche Zwänge!
Als Manni später endlich talwärts rauscht,
denkt er, dass er nicht gern mit einem andern tauscht!
Doch eines ist dabei nicht schön und fair:
Die Konsequenz, die richtige, die wär:
Die sich in Arbeitsmüh‘ zusammenschließen,
die müssten auch die Abschussfahrt genießen.
Und er erkennt, als er dann weiterdenkt:
Die Talfahrt wurde wirklich ihm geschenkt
von denen, die ganz angestrengt, mit Mühen,
ihn diesen steilen Eifelberg raufziehen.
Der Manni will sich nie was schenken lassen.
So stur ist er – das ist gar nicht zu fassen.
Er hat sich aber diesmal durchgerungen:
Dass ihm die Kreuzweg-Wege sind gelungen,
das nimmt er an! Das wurde ihm geschenkt.
Wenn er an diese Pilgergruppe denkt,
dann möcht‘ er alle auf der Pilgerschaft erreichen
und gäbe ihnen gern ein Dankeszeichen.
Als Dank – so lautet meine Rede schlicht –
schenk ich euch hiermit dieses mein Gedicht.