Schock nach dem Abendessen
Während wir den Tag über durch das schöne Emmertal wanderten und dabei vom Magazin DER SPIEGEL fotografiert wurden sickerte nach und nach zu uns durch, dass es in NRW wohl ein stärkeres Unwetter gegeben habe. Aber erst nach dem Abendessen, als die ersten Anrufe aus den betroffenen Gegenden bei uns eingingen realisierten wir, was da passiert war.
Vom gemeinsamen schauen der Tagesschau hat der Autor noch ein Foto gemacht, bei allem was danach kam verbot sich das Fotografieren von selbst. Etwa die Hälfte der Teilnehmer*innen kommt aus den betroffenen Gebieten.
- In der Altenwohnanlage von C’s Mutter steht das Erdgeschoß komplett unter Wasser. Es gibt weder Elektrizität noch Trinkwasser. Die Betreuung ist komplett ausgefallen, weil die Einsatzzentrale überflutet ist, und die Beschäftigten selbst vom Hochwasser betroffen sind.
(C. ist inzwischen in der Eifel und kümmert sich um ihre Mutter und die übrigen Senioren, so gut es geht.) - Die Schwester von N. wohnte bis zur kompletten Evakuierung des Ortes in Heimatzheim, einem der Orte unterhalb der vom Brechen bedrohnten Steinbach Talsperre
- Die Familie von S. ist ohne Trinkwasser und Elektrizität. Und sagt ihr: „Komm nicht her, du kannst hier eh nichts machen. Geh weiter!“
- Bei G. zuhause steht nur der Keller unter Wasser. – Glück gehabt!
Und das sind jetzt nur die unmittelbaren Angehörigen. Entferntere Verwandte, Freunde und Bekannt würden hier den Rahmen sprengen.
Einige von uns brechen wortwörtlich zusammen oder rennen heulend aus dem Raum. Wir sind geschockt, betroffen und wütend. Als die Journalistin des WDR in der aktuellen Stunde Laschet saures gibt, gibt es bei uns spontan Applaus.
Wir beraten, was wir tun sollen, und beschließen weiter zu laufen:
- Jetzt erst Recht!
- Wir haben es euch doch gesagt!
- Wir werden dieses Unwetter zum Fukushima der Braunkohle machen!
… was vorher geschah:
- Nach der Nachtwache am Kreuz genießt die kleine Wachcrew ihr Frühstück in der Sonne mit Blick auf das AKW Grohnde und seine Kühltürme.
„Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ [Psalm 23:5]
- Nebenbei zieht Michel einen neuen Keilriemen am Begleitfahrzeug auf.
- Auf unsere Wanderung durch das wirkliche schöne Emmertal werden wir durch die erstaunlichen hartnäckigen Fotografen des SPIEGEL ein wenig ausgebremst.
- „Bitte macht ganz einfach eure Pause und ignoriert uns!“ – Leichter gesagt als getan. Andererseits gewöhnt man erstaunlich schnell daran und kann das Fototeam irgendwann tatsächlich weitgehend ausblenden.
- Negen schreibt im Bulli eine Presseerklärung, um die falsche Darstellung der Ereignisse vom Vortag durch die Polizei richtig zu stellen.
„Ich habe schon unter sehr unterschiedlichen Bedingungen Pressearbeit gemacht. Aber so noch nie. Das war absurd.“
- Die zweite Pause des Tages findet ohne Fotografen des SPIEGEL statt, dafür mit einem Fluß zum Planschen.
- In Bad Pyrmont besuchen wir das Quäkerhaus, wo es nach einer kleinen Erfrischung eine Einführung in die Geschichte und das Handeln der Quäker gibt. – Und das Handeln der Quäker ist wirklich beeindruckend!
- Anschließend halten wir im Andachtsraum des Hauses eine kurze Qäkerandacht.
- Vom Qäkerhaus geht es zur katholischen Gemeinde St. Georg zur Übernachtung. Wo wir, wie schon bei den Quäkern zuvor, zu spät ankommen. Danke auf Frau T., die gute Seele des Hauses, für Nachsicht und Unterstützung.
- Das gemeinsame Abendessen im Innenhof ist fröhlich und entspannt. Kurz danach trifft uns die Realität…